Wage es ein Optimist zu sein. RidelyMatt The Rational Optimist

The rational optimist – how prosperity evolves
Ridley Matt 51LJ, 2010; Zoologe, Wissenschaftsjournalist, NewYorkAcademy of Sciences
In einem Interview mit Guido Mingels, erschienen im „Magazin“ Beilage zur BAZ und BZ 27&28 2010
Buch: Matt Ridley: „The Rational Optimist – How Prosperity Evolves“, HarperCollinsPublishers

Wage es ein Optimist zu sein:

Die Geschichte der Menschheit, von ihren Anfängen in der afrikanischen Savanne bis zur Gegenwart, ist eine wunderbare Erfolgsgeschichte, und es gibt keinen Grund, warum sie, wie so viele Pessimisten uns glauben machen wollen, nun zu Ende gehen sollte.

Warum sehen wir, wenn wir zurückblicken, nichts ausser Fortschritt und Verbesserungen, erwarten aber von der Zukunft immer nur den Niedergang? (Thomas B.Macaulay)

Ein grossartiges 21.Jahrhundert steht bevor in dem, der Reichtum um sich greift, Technologien voranschreiten, die Armut zurückgeht, Krankheiten eingedämmt werden, die Fruchtbarkeit abnimmt, die Gewalt schwindet, das Glück zunimmt, die Freiheit wächst, das Wissen blüht und die Umwelt sich verbessert.

Das generelle Argument ist die Theorie des menschlichen Fortschritts. Betrachtet man die Geschichte der Menschheit, dann bleibt zunächst einmal völlig rätselhaft, warum der Homo sapiens in der kurzen Zeitspanne der letzten 45'000 Jahre einen solchen Siegeszug erleben und zur dominanten Spezies auf dem Planeten werden konnte, während alle anderen Tiere kaum Fortschritte gemacht haben. Als Auslöser für diesen Innovationsschub sind viele Gründe genannte worden: grosse Gehirne, die Entwicklung der Sprachen, das Feuer, die Herstellung von Werkzeugen und anderes mehr, aber all diese dinge scheinen zu diesem Zeitpunkt bereits sein Millionen von Jahren existiert zu haben ohne besonderen innovativen Effekt. Werkzeuge wie Äxte etwa wurden während 100’000en von Jahren nach dem immer gleichen primitiven Design hergestellt, ohne dass irgendeine Verbesserung statt fand. Dann aber, plötzlich, vor 45'000 Jahren, gab es diesen BigBang der menschlichen Kultur, und eine beispiellose Entwicklung nahm ihren Lauf. Irgendwann kamen unsere Vorfahren auf eine revolutionäre Idee: Gib mir deins, dann geb ich dir meins. Sie fingen an, Objekte zu tauschen, also Handel zu betreiben, das war der Anfang der Spezialisierung, der Arbeitsteilung, des Marktes, wie wir ihn heute kennen. Einer stelle Äxte her, eine anderer sammelte Felle usw. 10 Individuen konnten auf diese Weise 10 Fähigkeiten zusammenbringen, während jeder von ihnen nur eine beherrscht. Das kann kein anderes Tier. Obwohl etwa Affen  od auch Ameisen primitive Formen der Arbeitsteilung od des Gütertauschs kennen, geschieht keine Innovation, alle tun über Jahrmillionen hinweg immer dasselbe. Der Mensch aber erfand auf der Basis des kulturellen Austauschs Dinge wie die Landwirtschaft, Städte als Lebensform, Lesen und Schreiben, die gesamte Kultur. Heute nennt man das kollektive Intelligenz. Niemand, wirklich kein einziger einzelner Mensch der Welt weiss, wie man einen Kugelschreiber herstellt. Und ein Computer schon gar nicht. Das Wissen und die Arbeit von 1’000en, ja Millionen von Köpfen ist darin eingeflossen. Ich mag den Vergleich mit der Evolution: Biologisch entwickeln sich Spezies, weil Männchen und Weibchen ihre Gene austauschen, weil sie Sex miteinander haben. Und die kulturelle Entwicklung, also der menschliche Fortschritt, geht voran, weil Ideen Sex miteinander haben.

Weil der Mensch eine so grossartige Innovationsmaschine ist, bekommen wir auch Probleme wie Klimawandel, Überbevölkerung und Hunger in den Griff.

Die Menschen auf der Welt insgesamt sind schon jetzt viel reicher, als sie es jemals waren, der Planet füttert schon jetzt sehr viel mehr Leute, als man je für möglich gehalten hätte.

Die 50er Jahre waren bis zu diesem Zeitpunkt eine Zeit von nie dagewesenem Reichtum und Luxus – aber verglichen mit heute, sind sie eine Ära der Armut. Richtig ist, dass es in den 50ern in 8 von 10 amerikanischen Haushalten fliessendes Wasser, Waschmaschinen, Kühlschränke, elektrisches Licht und Zentralheizung gab, was nur 50 Jahre davor, zu Beginn des 20.Jahrhunderts praktisch niemand hatte. Ein enormer Fortschritt. In seinem Buch „die Überflussgesellschaft“ erklärte der Ökonom JK Galbraith deshalb schon 1958, dass der Wohlstand seinen Höhepunkt erreicht habe und dass nun viele überflüssige Güter produziert würden, die den Konsumenten nur durch verführerische Werbung angedreht werden können. Aber heute, noch mal 50 Jahre später, müsste man diese goldene Generation der 50erJahre unterhalb der Armutsgrenze ansiedeln, gemessen an ihrem Durchschnittseinkommen – immer kaufkraftbereinigt. So sehr haben sich die Verhältnisse verschoben, und wir bemerken es nicht. Ein gelischer Arbeiter mit Durchschnittsverdienst im Jahr 1957 verdiente weniger als ein arbeitsloser Engländer mit 3 Kindern heute an staatlicher Unterstützung erhält – kaufkraftbereinigt. Ein kleines Beispiel: noch 1970 hatten nur36% aller Amerikaner eine Klimaanlage, im Jahr 2005 gibt es diese angenehmen Apparate in 79% aller US-Haushalte, die offizielle als arm gelten.

Seit 1800 ist die Weltbevölkerung um das 6fache gewachsen, gleichzeitig hat sich jedoch die durchschnittliche Lebenserwartung mehr als verdoppelt. Nahmen wir eine kürzere Zeitspanne: Zwischen 1955 und 2005 hat sich das kaufkraftbereinigte Durchschnittseinkommen eines Erdenbürgers ver3facht, und es stehen pro Tag 1/3 mehr Kalorien an Nahrung zur Verfügung. Die Kindersterblichkeit ist in dieser Zeit um 2/3 gefallen. Für den Durchschnittsmenschen hat sich in diesen 50 Jahren laut allen Statistiken die Wahrscheinlichkeit von diversen hässlichen Todesursachen teilweise dramatisch verringert: Krieg, Mord, Verkehrsunfälle, Kinderbett, Überschwemmungen, Hunger, Krebs, Herzschlag, Tbc, Typhus, Pocken, Polio – überall sind die Zahlen rückläufig. Gleichzeitig ist für den Durchschnittsmenschen die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Haus, eine moderne Toilette, einen Kühlschrank, ein Telefon und ein Auto besitzt, enorm gestiegen. Überall auf der Welt sind die Kosten zur Deckung der 4 wichtigsten menschlichen Grundbedürfnisse – Essen, Kleidung, Energie und Unterkunft – sehr stark gesunken. Das sind enorme Leistungen, die uns zuversichtlich machen sollten, denn nichts spricht dagegen, dass wir diese Quantensprünge bis ins Jahr 2100 nicht wiederholen können.

Im letzten halben Jahrhundert ist das kaufkraftbereinigte Durchschnittseinkommen nur gerade in 6 Nationen leicht gefallen, im Kongo, Liberia, Afghanistan, Haiti, Somalia und Sierra Leone. Die Lebenserwartung  fiel in bloss 3 Nationen, in Russland, Swasiland und Zimbabwe, die Kindersterblichkeit stieg überhaupt nirgends. In Afrika verläuft der Verbesserungsprozess allerdings sehr viel langsamer als im Rest der Welt. Und manche Länder haben Phasen der Stagnation od des Rückschritts erlebt, von denen sie sich aber erholen, China in den 60ern, Äthiopien in den 80ern, Kongo in den Nullerjahren. Argentinien erlebte ein insgesamt enttäuschendes 20.Jahrhundert. aber betrachtet man alles zusammen, dann ist die Entwicklung der letzten 50 Jahre für die Welt dramatisch positiv. Ein durchschnittlicher Mexikaner lebt heute länger als der Durchschnitts-Engländer 1955. der durchschnittliche Botswaner verdient heute real mehr als der Durchschnitts Finne 1955. der Anteil Vietnamesen, die von weniger als 2$ pro Tag leben, ist in den letzten 20 Jahren von 90% auf 30% gefallen. 

Die Reichen werden reicher, die Armen aber auch. Und zwar sehr viel schneller als die Reichen. Der Konsum der Armen in den Entwicklungsländern ist zwischen 1980 und 2000 doppelt so schnell gewachsen wie im Weltdurchschnitt. Die Chinesen sind heute 10x so reich und vermehren sich nur noch 1/3 so stark wie vor 50 Jahren, gleichzeitig leben sie durchschnittlich 28 Jahre länger. Sogar Nigerianer sind heute doppelt so reich und 25% weniger fruchtbar als im Jahr 1955, und sie leben 9 Jahre länger. Trotz der Verdoppelung der Weltbevölkerung ist der Anteil jener, die in absoluter Armut leben – also von weniger als 1$/Tag – seit den 50er Jahren um mehr als die Hälfte gefallen, auf die heutigen 18%. Diese Zahl ist natürlich noch immer schrecklich hoch, aber der Trendverlauf ist jedenfalls kein Grund zur Verzweiflung. Würde die Entwicklung so weitergehen, wäre die Armut im Jahr 2035 bei 0% angelangt – was allerdings kaum passieren wird.

Trotzdem: nach Schätzungen der Uno ist die Armut in der Welt in den letzten 50 Jahren stärker zurückgegangen als in den davorgehenden 5 Jahrhunderten.

Die Welt kann im Jahr 2100 9Mia Menschen ernähren. Zuerst einmal sollten wir uns darüber freuen, dass es nur 9 Mia sein werden, wie die offizielle Uno-Prognose lautet, und nicht etwas 25 Mia od gar 40Mia, wie frühere Pessimisten wahrgesagt hatten. Den Höhepunkt werden wir laut Uno im Jahr 2075 mit 9.2Mia erreichen, danach wird die Weltbevölkerung stagnieren od zurückgehen. Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig Leute wissen, dass sich das Bevölkerungswachstum auf unserem Planeten seit den 60erJahren ständig verlangsamt. Alle reden von Bevölkerungsexplosion, während überall die Geburtenraten fallen, auch in der 3.Welt. in Bangladesch, dem dichtestbesiedelten Land der Welt, fiel die Geburtenraten von 6.8 Kindern pro Frau im Jahr 1955 auf 2.7. in fast der Hälfte aller Nationen der Welt liegt die Geburtenrate heute unter der sog. Reproduktionsziffer von 2.1. Russlands Bevölkerung schrumpft so stark, dass sie im Jahr 2050 noch 1/3 des Höchstniveaus des Jahres 1990 betragen wird. Das alles sind gute Nachrichten, und ich wäre bei all meinen Betrachtungen nicht so optimistisch, wenn die Population einfach endlos weiterwachsen würde. Es wäre in der Tat schwierig, 25Mia Menschen zu ernähren. Aber 9? Die Welt füttert schon jetzt 6.8Mia Menschen, und zwar bei ständig wachsender Lebensdauer, bei ständig sinkender Kindersterblichkeit und ständig steigendem Kalorien pro Kopf Ertrag. Anders gesagt: Wir sind immer mehr Leute, leben immer länger und wir werden immer satter. Und es fehlen nur noch 2.4Mia bis zum Höchststand, das kriegen wir doch hin!

Die Pessimisten sagen dass das nur um den Preis der Zerstörung der natur für riesige Anbauflächen, und damit ohne Nachhaltigkeit geht. Aber das ist falsch. Eine der erstaunlichsten Erfolgsgeschichten des Menschen ist die radikal verbesserte Effizienz der Landwirtschaft. Der Ökonom IndurGoklany hat ein anschauliches Beispiel gemacht: Wenn die durchschnittlichen Ernteerträge pro Flächeneinheit des Jahres 1961 sich nie verbessert hätten, wären im Jahr 1998 32 Mio. km2 Anbaufläche nötig gewesen, um die auf 6Mia angestiegene Weltbevölkerung zu ernähren – de facto waren es aber nur 15 Mio. km2. D.h., dank der industrialisierten Landwirtschaft wurde eine Fläche von beinahe der Grösse Südamerikas eingespart und die Erträge pro Flächeneinheit ungefähr verdoppelt. Seit 1900 sind die landwirtschaftlichen Erträge um 600% gestiegen – die gesamte Agrarfläche aber nur um 30%. Um 9Mia Leute zu ernähren, braucht es natürlich eine ganze Reihe von Massnahmen: eine Verdoppelung der landwirtschaftlichen Produktion in Afrika mithilfe eines markant erhöhten Einsatzes von Düngemitteln; die Umstellung auf 2fache Ernte pro Jahr in vielen tropischen Ländern; die Einführung der Tropfbewässerung in Asien und Amerika; die Verwendung von genetisch modifiziertem Saatgut überall in der Welt; Rinder müssen vermehrt mit Soja statt mit Getreide  gefüttert werden; mehr Hühner, Fische und Schweine, weniger Rinder und Schafe, denn Erstere verwandeln Getreide 3x so effizient  in Fleisch wie Letztere. Und einen dynamisierten globalen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, damit jeder das tut, was er am besten kann.

Selbstversorgung ist eine romantische Idee pseudogrüner Städter, die es toll finden, ihr Gemüse auf dem Biomarkt zu kaufen. Selbstversorgung bedeutet Armut, weil es der Idee der Arbeitsteilung zuwiderläuft, weil jede Nation dabei alles selbst herstellt, statt dass die verschiedenen Güter in einem globalisierten Markt jeweils dorther kommen, wo sie am besten und effizientesten produziert werden können. Kürzlich hat sich ein Bekannter von mir beim Essen darüber aufgeregt, dass die Bohnen, die er ass, aus Kenia stammen, statt aus England. Ich habe ihm gesagt, dass kenianische Bohnen in England eine grossartige Sache sind. Es bedeutet, dass irgendein Kenianer höchstwahrscheinlich – ordentlich daran verdient, dass er deswegen vielleicht seine Kinder zur Schule schicken kann, die dann vielleicht irgendwann mein Buch kaufen. Als im Mittelalter das mediterrane Handelssystem zusammenbrach, erfolgte überall ein Rückzug auf landwirtschaftliche Selbstversorgung – damit eine Phase der Isolation, der Stagnation, der Armut.

Optimisten sind zu allen Zeiten für naiv und oberflächlich gehalten worden, Pessimisten aber für weise und wichtig. Optimismus ist offenbar einfach irgendwie unsexy. Gute Neuigkeiten sind zudem oft schwieriger zu erkennen, sie sind in der Regel graduell, es sind Zwischenstände langsamer positiver Entwicklungen, während BadNews sich urplötzlich ereignen. Was besser zu den Mechanismen der Medien passt. „Heute erneut keine Hungersnot“ ist nun mal keine Schlagzeile. Ein wichtiger Grund für den vorherrschenden Pessimismus ist die fatale Tendenz des Menschen zur Nostalgie. Wir glauben, dass früher alles besser war, weil unser Erinnerungsvermögen selektiv vorgeht und nur das Schöne speichert. In Wahrheit war früher praktisch alles schlechter. Die Leute tendieren überdies dazu allzu optimistisch zu sein bezüglich ihrem eigenen Leben – sie glauben, ewig verheiratet zu bleiben und viel Geld zu verdienen – rechnen aber mit Blick auf die Menschheit als Ganzes gern mit dem Schlimmsten. Das sind alles sehr verzeihliche menschliche Schwächen – wütend machen mich dagegen die verantwortungslosen Berufspessimisten, Apokaholiker wie AlGore od PaulEhrlich.

Apokaholiker missbrauchen die pessimistische Natur des Menschen zu ihrem eigenen Vorteil. Pessimisten dominieren die Schlagzeilen seit 200 Jh., obwohl Optimisten fast immer recht behielten. Als ich kürzlich in einer Flughafen Buchhandlung  das Angebot betrachtete, sah ich Pamphlete von NoamChomsky, AlGore, NaomiKlein, Barbara Ehrenreich, MichaelMoore und vielen anderen, und alle sagen ungefähr dasselbe, nämlich dass die Welt ein schrecklicher Ort sei, dass alles immer schlimmer werden, dass vor allem die Wirtschaft daran schuld sei, und dass es so nicht weitergehen könne, weil wir an irgendeinem Wendepunkt angelangt seien. „Wendepunkt“! wie hohl dieses Wort ist. Es sollte mal einer all die behaupteten Wendepunkte sammeln, die nicht eingetroffen sind. Allein in meiner Lebenszeit gab es Dutzende von Katastrophenprognosen, die in Mode kamen und wieder verschwanden. In den 60er Jahren standen Bevölkerungsexplosion und globale Hungernöte ganz oben, in den 70ern drohende Ressourcenknappheit, in den 80ern saurer Regen und Waldsterben, in den 90ern Pandemien. Daneben war die Rede von atomarer Endzeit, explodierender Armut, sich ausbreitenden Wüsten, drohenden Kriegen um Wasser, dem unvermeidlichen Ende der Ölvorräte, grassierenden Rinderwahnsinn und Vogelgrippe Pandemien, unaufhaltbaren Y2K Computerviren, schwindender Spermienqualität und ausgedünnter Ozonschicht. –

In einem Punkt allerdings haben die Pessimisten Recht. Mit ihrem mantra des „So kann es nicht weitergehen“. Sie haben recht, wenn sie sagen, dass der Menschheit ein Desaster droht, wenn sie so weitermacht wie heute. Wenn der gesamte Waren- und Personenverkehr vom Öl abhängig ist, und wenn das Öl zur Neige geht, dann haben wir ein Problem, ja. Wenn grosse Teile der Landwirtschaft von ineffizienter Bewässerung abhängig bleiben, und wenn das Wasser knapp wird, dann haben wir ein Problem, ja. Trivialerweise. Aber das sind eben Wenn-dann-Sätze. Es wird eben nicht so bleiben, wie es heute ist. Die Menschheit hat eben noch nie einfach so weitergemacht wie heute, sonst wäre sie schon lange untergegangen. Der Denkfehler der Pessimisten ist, dass sie die Zukunft einfach als eine vergrösserte Version der Gegenwart betrachten. So war es nie, so wird es nie sein.

Was die Leute träg macht ist die pessimistische Annahme, dass man ja ohnehin nichts verändern kann, es geht je eh alles den Bach runter. Ich hingegen will alle dazu anstacheln, ambitioniert zu sein, indem ich zeige , wie viel wir schon erreicht haben und was für fantastische Möglichkeiten wir weiterhin haben, wenn der globale Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Ideen weiter bläht und nicht behindert wird.

Die beiden grössten Herausforderungen für einen Optimisten: Afrika und der Klimawandel. Beide Themen sind untrennbar miteinander verbunden. Afrika soll laut allen Prognosen am stärksten unter dem Klimawandel leiden. Gleichzeitig, und hier liegt scheinbar ein Paradox, gehen jene Modelle, die einen raschen und starken Anstieg der Erderwärmung voraussagen, davon aus, dass die ärmsten Länder der Welt gewaltige Fortschritte machen werden und am Ende dieses Jahrhunderts etwa 9x so wohlhabend sein werden wie heute. Trifft das nicht ein, wird auch die Erderwärmung nicht so stark sein. Afrika hat also die Qual der Wahl: Entweder es geht den Weg des Wachstums, indem es pro Kopf wesentlich mehr fossile Brennstoffe verbraucht als bisher, um dann aber die Folgen des Klimawandels zu spüren zu bekommen, od aber es akzeptiert eine Begrenzung des CO2 Ausstosses, bleibt damit aber in der Armut gefangen. Dieses Dilemma ist allgemein Konsens, aber ich glaube nicht daran. Ich glaube, dass Afrika reich werden kann und dass ein katastrophaler Klimawandel ausbleibt.

Entscheidend wird sein, dass Afrika sich selbst befreit. Entwicklungshilfe kann jeweils ein paar Platzwunden heilen, aber funktionierende Volkswirtschaft kann man nicht von aussen planen, sie müssen von innen wachsen. Afrika leidet bis heute unter den Spätfolgen des Sklavenhandels und der Kolonialisierung, es kämpft mit Problemen wie einem sich nur zäh verlangsamenden Bevölkerungswachstum, mit Krankheiten, Stammesdenken, Korruption, Mangel an Infrastruktur, schlechter Politik. Aber vergessen wir nicht, noch 1978 war China ungefähr so arm und despotische wie grosse Teile Afrikas heute. Mache Länder Afrikas, wie Botswana, sind bereits auf gutem Weg. Botswana war 1950 das 4. ärmste Land der Welt und hatte alle genannten afrikanischen Probleme, doch heute sind seine Bürger im Durchschnitt wohlhabender als etwa Bulgaren od Thailänder. Entscheiden war der erfolgreiche Aufbau guter staatlicher Institutionen und die Garantier von Eigentumsrechten. Dan den sinkenden Geburtenraten hat ganz Afrika demografisch derzeit eine hervorragende Situation: enorm viele Erwerbstätige, relativ wenige abhängige Alte und Kinder. Dieselbe Ausgangslage war für einen grossen Teil des asiatischen Wirtschaftswunders verantwortlich. Wie also bringt man den Handel zum Blühen? Eine grosse Hilfe für die afrikanische Landwirtschaft wäre, wenn Europa und Amerika ihre Handelsbeschränkungen und Schutzzölle aufheben würden. China schaffte die Wende, weil es im Fahrwasser Hongkongs mehr und mehr Freihandelszonen erlaubte. Warum wiederholen wir dieses Rezept nicht in Afrika? Es funktionierte im phönizischen Tyre vor 3000 Jahren, es funktionierte in Amsterdam vor 300 Jahren und in Hongkong vor 30 Jahren.

Ich könnte Sie und mich selbst jetzt davon zu überzeugen versuchen, dass die Alarmstimmung um die Erderwärmung so übertrieben ist wie in den vergangenen Jahrzehnten jene um das Waldsterben od die männliche Spermaqualität od um Krebs. Ich könnte darauf hinweisen, dass es im Mittelalter und vor 6000 Jahren schon wärmere Phasen gab und dass die Menschheit und die Natur während der Eiszeiten schon viel abruptere Erderwärmungen überlebten, als jetzt erwartet werden. Aber für diese wissenschaftlichen Debatten reicht unsere Gesprächszeit nicht aus. Als ich die Arbeit an meinem Buch begann, war ich jedenfalls wesentlich besorgter bezüglich des Klimawandels, als ich es nach Studium der Fakten bin. Entscheidend ist, dass die pessimistischeren Szenarien unter den Prognosen des IPCC, dem Weltklimarat, nämlich einen Anstieg der Temperatur bis 2100 um voll 4-6°C, von höchst unwahrscheinlichen Voraussetzungen ausgehen. Und mit jenen 3°C, die auch das IPCC selbst als bestbelegte Höchstmarke betrachtet, kommen wir höchstwahrscheinlich zurecht.

Die Tatsache, dass die Möglichkeit einer grossen, zivilisationszerstörenden Klimakatastrophe nicht ausgeschlossen werden kann, verlangt nach radikalen heutigen Massnahmen. Dies ist das Vorsorgeprinzip mit dem viele Umweltschützer und sogar manche Ökonomen argumentieren. Das Problem daran ist zum einen, dass es auf alle möglichen Risiken anzuwenden wäre, nicht nur auf den Klimawandel. Die Wahrscheinlichkeit etwa, dass die Erde mit einem grossen Asteroiden kollidiert, wird auf etwa 1/1Mia eingeschätzt. Da scheint es ziemlich lumpig, dass jährlich bloss rund 4 Mio.$ dafür eingesetzt werden, solche Asteroiden aufzuspüren. Und warum legen wir keine grossen Nahrungsvorräte in unseren Städten an, damit die Menschen einen möglichen Atomkrieg, weltweite Pandemien, ausbrechende SuperVulkane od die Invasion von Ausserirdischen überleben können? Das ist alles sehr unwahrscheinlich, aber der potenzielle Schaden eines solchen Ereignisses ist so gewaltig, dass er nach dem Vorsorgeprinzip  jeden Aufwand rechtfertigen würde. Die extremsten Erderwärmungsszenarien – und nur sie hätten wahrhaft katastrophale Folgen – sind eben äusserst unwahrscheinlich. Wenn es also umgekehrt eine 99%ige Chance gibt, dass die Dritt- und Zweitweltländer in diesem Jahrhundert sehr viel reicher werden könne, ohne dass es zur Klimakatastrophe kommt, obwohl sie für ihr Wirtschaftswachstum eine ganze Menge CO2 ausstossen werden – wer, bitte sehr, will ihnen das verbieten.

Das Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen hat mich gefreut, ja, in der Tat. Nicht nur, weil dieser Vertrag, wäre er zustande gekommen, die Erderwärmung höchstens um ein klitzekleines bisschen verlangsamt hätte. Aber vor allem deshalb, weil es der falsche Weg ist. Die Beschränkung des CO2 Ausstosses bedeutet eine Behinderung, des Wirtschaftswachstums in Entwicklungsländern, während alle historische Erfahrung zeigt, dass ein gewisser Level an Wohlstand überhaupt die Voraussetzung dafür ist, dass sich Volkswirtschaften auch um ihre Umwelt kümmern. China hat jetzt damit begonnen, sauberer zu werden, in den 70ern und 80ern hatte es andere Probleme. Wenn die armen Länder in den nächsten 100 Jahren ihre Bruttosozialprodukte so dramatisch steigern werden, wie es die Erderwärmungsmodelle als Bedingung annehmen, dann werden sie bis dahin auch anfangen, ökologische Politik zu praktizieren.

Ich glaube an neue Energiequellen, und wir sollten keine Anstrengung scheuen, die entsprechende Forschung voranzutreiben. In der Zukunft wird unser Energiebedarf vielleicht teilweise aus Erdwärme-, Gezeiten-, Meerwind- od Meereswärmekraftwerken gespiesen. Vielleicht wir künftig aus Meeresalgen bessere Bio-Energie gewonnen werden als heute aus dem ökologisch katastrophalen Ethanol, dem 5% der weltweiten Agrarnutzflächen geopfert werden. Vielleicht gelingt auch schon bald die künstliche Photosynthese, die Ingenieure am MIT arbeiten daran. Aber das ist Zukunftsmusik.

Ich glaube, wir werden in den nächsten Jahrzehnten noch eine ganze Menge Öl brauchen, gleichzeitig wird hoffentlich das wunderbare Schiefergas an Bedeutung gewinnen, und von mir aus können wir gerne auch noch ein paar Atomkraftwerke bauen. Atomenergie ist zwar relativ teuer, hat aber einen schlanken CO2 Ausstoss und kommt mit äusserst geringen Flächen aus, im Gegensatz etwa zur schrecklich ineffizienten und ganze Landschaften zerstörenden Windenergie. Etwa ab 2030 od 2040 wird dann hoffentlich die Solarkraftindustrie eine grössere Rolle spielen, indem sie relevante Mengen zu marktfähigen Preisen produzieren kann. Zwingt man aber die Welt schon heute dazu, ihren Energiebedarf  im grossen Stil aus teuren Solar-, Wind- od Wasserkraftquellen zu gewinnen, dann steigen die Energiekosten pro Kopf enorm an, dass das Wirtschaftswachstum behindert wird und die Armut wächst.

Der frei Austausch von Gütern und Ideen, der freie Markt, ist das Heilmittel für alles. Güter und Dienstleistungsmärkte brauchen weniger Regulierung.

Es gibt viele Kräfte, die den Fortschritt und das Wachstum lähmen. Falsche Politik schottet durch Schutzzölle und Subventionen lokale Märkte ab und verunmöglicht den globalen Wettbewerb. Die Forschung an Stammzellen und genetisch verbesserten Lebensmitteln wird vielerorts behindert. Freiheitsrechte werden im Namen der Terrorismusbekämpfung beschnitten. Kreationisten bekämpfen die Vermittlung guter wissenschaftlicher Theorien. Mullahs versagen Millionen von Frauen Macht und Bildung. Aber wird irgendeine dieser reaktionären Trends den ganzen Globus erfassen können und die grandiose Erfolgsgeschichte der Menschheit entscheidend aufhalten? Ich glaube nicht daran.

LouisArmstrong: „I hear babies cry, I watch them grow, they’ll learn much more than I’ll ever know. And I think to myself, what a wonderful world.“